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Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)

Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine neurodegenerative Erkrankung des Motorischen Nervensystems, die durch progressiven, irreversiblen Motoneuronenverlust im mittleren Lebensalter gekennzeichnet ist. Mit einer Prävalenz von 2 bis 9 pro 100.000 und einer Inzidenz von 1 bis 3 pro 100.000 stellt ALS die häufigste Form der Motoneuronen Erkrankungen dar. Das klinische Bild der ALS ist charakterisiert durch periphere und zentrale Paresen, die durch Schädigungen bzw. Degeneration der ersten und zweiten Motoneurone bedingt sind. 

Im Krankheitsverlauf kommt es meist nach anfänglichen fokalen, asymmetrischen Lähmungen der Extremitäten, Sprech- und Schluckmuskulatur relativ schnell zu einer Generalisierung der Paresen. Histopathologisch können bei ALS‑Patienten mehrere Typen von intrazellulären Einschlusskörpern beobachtet werden, wobei die Ubiquitin‑haltigen Inklusionen, die meist auch mit Aggregaten des TAR DNA‑binding protein 43 (TDP‑43) aber auch der Superoxid Dismutase 1 (SOD1) angereichert sind, in nahezu allen ALS‑Patienten vorhanden sind. Die Überlebenszeit der Betroffenen beträgt im Mittel drei bis fünf Jahre nach Auftreten der ersten Symptome, wobei der Tod meist durch respiratorische Insuffizienz eintritt.

Krankheitsbeginn und -verlauf der ALS werden durch Umweltfaktoren wie z.B. Rauchen, aber auch durch endogene Prozesse beeinflusst, so dass heute von einer multifaktoriellen Ätiologie ausgegangen wird. Zu den relevanten endogenen Prozessen werden oxidativer Stress, Exitotoxizität, Proteinfehlfaltung, sowie Störungen der RNA‑Prozessierung, des axonalen Transportes  oder der Mitochondrienfunktion gezählt. Neuere Erkenntnisse lassen außerdem vermuten, daß auch nicht‑neuronale Zellen bei der ALS–Symptomatik eine Rolle spielen indem sie z.B. inflammatorische Prozesse aktivieren oder Signaltransduktionswege beeinflussen.

In ca. 90 bis 95% der Fälle tritt ALS sporadisch auf (sALS) was bedeutet, dass keine von ALS betroffene Person im familiären Umfeld des Erkrankten vorhanden ist. Bei 5 bis 10% der Patienten liegt hingegen die familiäre Form der ALS (fALS) mit unterschiedlichem, meist aber autosomal dominantem Vererbungsmodus vor.

Das ubiquitär exprimierte SOD1‑Gen wurde bereits im Jahr 1993 mit ALS in Zusammenhang gebracht und stand daher sehr früh im Fokus wissenschaftlicher Studien. SOD1 katalysiert die Disproportionierung von Superoxidanionen in Sauerstoff und Peroxid und reduziert somit oxidativen Stress in Zellen. Heute werden 20% der fALS Fälle bzw. 2% aller ALS Fälle auf auf Mutationen im SOD1 Gen zurückgeführt, so dass SOD1 als einer der wichtigsten ätiologischen ALS‑Faktoren betrachtet wird.

SOD1 liegt in Form von 32 kDa großen Homodimeren primär im Zytoplasma vor und macht dort ca. 1% der Gesamtproteinmenge aus.  Das posttranslational vollständig modifizierte Holoenzym weist pro Monomer neben der intramolekularen Disulfidbrücke je ein Kupfer‑ und ein Zinkmolekül auf. Diese Modifikationen verleihen SOD1 eine außergewöhnliche Thermostabilität mit einer Schmelztemperatur (TM) von ~86 °C, sowie einer Denaturierungsresistenz in 6 M GdnHCl oder 4 % SDS.                         

Abb.1: Kristallstruktur der humanen Superoxiddismutase 1 (SOD1), PDB–Code 1HL5 
Beide Moleküle des SOD1-Dimers (gelb) sind in Ribbon-Optik dargestellt. Beim rechten Molekül ist zusätzlich die Oberfläche transparent in grau abgebildet. Pro SOD1-Molekül sind ein vom Zinkloop (blau) gebundenes Zinkion (blau), sowie ein gebundenes Kupferion (grün) in der Nähe des elektrostatischen Loops (grün) und die intramolekulare Disulfidbrücke (rot) dargestellt.

Verschiedene in vitro und in vivo Studien zeigten, dass nicht der Verlust der anti‑oxidativen Wirkung, sondern ein bisher nicht genau identifizierter toxischer Funktionsgewinn von SOD1 in die ALS‑Pathogenese involviert ist.    

Mutationen innerhalb des SOD1–Gens, aber auch Oxidation und Entzug der Metallionen führen zu einer drastischen Destabilisierung des SOD1‑Holoenzyms. Apo‑SOD1 ohne Disulfidbrücke weist eine TM von 43 °C auf, die damit nahe an der menschlichen Körpertemperatur liegt. Es resultiert eine verstärkte Dissoziation der SOD1-Homodimere zu monomerem SOD1, welches sich zunächst zu kleinen löslichen Oligomeren und im weiteren Verlauf auch zu höheren, polymorphen Aggregaten zusammenschließt. Während bei anderen neurodegenerativen Erkrankungen oft amyloide Aggregatstrukturen vorliegen, ist ALS primär durch die Bildung von non-amyloiden Ablagerungen gekennzeichnet. Besonders die frühen, löslichen SOD1‑Oligomere stehen im Verdacht, neurotoxische Wirkung auszuüben. Der genaue Pathomechanismus dieser Oligomere ist bislang jedoch nicht bekannt.

Mittels Spiegelbild-Phagendisplay selektieren wir D-enantiomere Peptide, die die native Konformation von SOD1 stabilisieren. Diese binden im Idealfall sowohl an wildtypisches SOD1 (sALS) als auch an mutiertes SOD1 (fALS), da davon auszugehen ist, daß in beiden Fällen ein Gleichgewicht der fehlgefalteten und der nativen Konformation vorliegt. Peptide, die spezifisch die native Konformation binden, können diese stabilisieren und das vorliegende Gleichgewicht zugunsten der nativen Form beeinflussen. Bestenfalls könnte so die de novo Bildung von löslichen Oligomeren reduziert und/oder schon vorhandene Oligomere wieder aufgelöst werden.

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